Es war einmal ein älterer Herr aus Deutschland. Der hatte fast 40 Jahre in seinem Büro gesessen, mitgeholfen 3 Kinder groß zu ziehen, sein Reihenhäuschen abbezahlt und sich die letzten Jahre zunehmend mehr mit seiner einstigen Jugendliebe gelangweilt. Der Einfachheit halber nennen wir ihn Hans I.
Schon lange bevor man ihn mit Anfang sechzig aus seinem gemütlichen Arbeitsdasein geekelt hatte, fasste er den Entschluss, noch einmal in seinem Leben etwas völlig anderes zu tun. Etwas Aufregendes, Neues, etwas, was von seinen Kollegen, seinen Freunden und Bekannten und schon gar nicht von seiner Familie verstanden würde. Und so kam es, dass er darüber immer mehr und mehr nachdachte, all dem Gewohnten und dem Farblosen in seinem Leben den Rücken zu kehren und auszuwandern.
Als Hans I. dann eines Tages nicht mehr in sein Büro durfte, ging alles relativ schnell. Er hatte sich ja bestens vorbereitet. Die Ehe wurde geschieden, das Reihenhäuschen verkauft, den Kindern Lebewohl gesagt und kurze Zeit später saß Hans I. im Flieger nach Paraguay. Paraguay war eigentlich eher zufällig zu seinem Ziel geworden. Nachdem er in einschlägigen Internetforen gestöbert hatte, erschien ihm Paraguay wegen des Klimas, der niedrigen Lebenshaltungskosten und der vielen deutschen Einrichtungen, die es dort schon gibt, als sein neues Paradies.
Und eines Tages stand Hans I. am Flugplatz in Asunción und erwartete das Auto, welches ihn zu dem von ihm gebuchten Hotel bringen sollte. Er schwitzte, verstand kein Wort und versuchte mit Händen und Füßen, Kofferträger, Schuhputzer, Taxifahrer und fliegende Händler abzuwehren. Endlich kam der Wagen und ein deutschsprachiger Fahrer nahm Hans I. in Empfang und brachte ihn in ein deutsches Hotel.
Jetzt fühlte sich Hans I. erstmals nach der langen Reise so richtig wohl. Swimmingpool und Palmen, nette Menschen, die ihn verstanden und ein großes, kühles Bier. Was will der Mensch noch mehr? Der Hoteleigentümer hatte ihn persönlich begrüßt und Hans I. war sofort von ihm angetan. Er hatte ihm erzählt, dass es in Paraguay viele Deutsche gäbe, die davon leben, ihren Landsleuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Hans I. sollte sich möglichst an ihn halten, wenn er etwas bräuchte, das sei viel sicherer und bequemer. Hans I. trank noch ein paar Bierchen mehr und freute sich, dass er an einen so hilfsbereiten Landsmann geraten war.
Die folgenden Tage marschierte Hans I. durch die Stadt, um sich einen Überblick zu verschaffen. Er lernte andere deutsche Kneipen kennen und auch die eine oder andere Paraguayerin. Hans I. fühlte sich zunehmend wohler. Inzwischen hatte er auch seine Unterkunft gewechselt, war doch das Hotel auf Dauer etwas teuer und von Landsleuten hatte er gehört, der Hoteleigentümer sei nur ein dummer Schwätzer, der selbst gerne den Neuankömmlingen in den Geldbeutel greift. Er wohnte nun im Haus einer paraguayischen Familie, bezahlte wesentlich weniger, dafür verstand er die Leute aber nicht. Hans I. wurde immer wieder eingeladen mit der Familie zu essen und Maria, die etwa 35 jährige Mutter der sieben Kinder, erbot sich, ihm etwas Spanisch beizubringen.
Hans I. nahm das Angebot gerne an, musste er doch so allmählich den ganzen Behördenkram erledigen, damit er dauerhaft in Paraguay bleiben konnte. Das fing schon damit an, dass er ein Konto eröffnen, seine Dokumente übersetzen und beglaubigen lassen und jemanden finden musste, der ihm bei all diesen Wegen half. Maria hatte zufällig eine ledige Schwester, die sich gerne Hans I. annahm, war es doch für sie eine Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen um ihre vier Kinder mehr schlecht als recht durchzubringen. Gloria war nicht dumm und lernte von Hans I. schnell auch einige deutsche Worte. Und da gemeinsame Sprache verbindet, dauerte es nicht lange, bis Gloria ihren Hans I. umturtelte, seine Lieblingsspeisen kochte, ihm zeigte, wie herrlich der Zuckerrohrschnaps zum Bier schmeckte.....
Kurz, die beiden wurden schnell ein Liebespaar und Hans I. fühlte sich wie im siebten Himmel. Gloria ging jetzt auch immer mit ihm zur Bank, wenn Bedarf an neuen Euros im Hause bestand, wechselte das Geld in die Landeswährung und gab Hans I. sein Taschengeld. Nach einer zärtlichen Liebesnacht hatte Gloria die gute Idee, Hans I. davon zu überzeugen, dass es doch viel besser wäre, wenn sie ihr eigenes Häuschen hätten. Hans I. hatte von den mitgebrachten 75.000 Euros erst ein paar Tausend ausgegeben, also machten sich die beiden auf, ein geeignetes Domizil zu finden.
Gloria fand schließlich etwas Idyllisches, zwar etwas einfach, aber mit großem Garten und Hans I. fand die 45.000 Euro, die Gloria für das Geschäft von ihm erbat, durchaus angemessen. Etwa acht Wochen nach seiner Ankunft in Paraguay hatte Hans I. ein neues Zuhause und nicht nur das, er hatte auch eine 30 Jahre jüngere Frau und vier kleine Kinder. So lebten sie einige Monate in Frieden und genossen das Nichtstun. Hans I. werkelte im Garten und Gloria war meistens irgendwo unterwegs. Sie hatte eine große Familie, neun Geschwister, Nichten, Neffen, Tanten, Onkels und darüber hinaus schien sie mit allen Leuten befreundet zu sein. Hans I war das häufig zu viel und so blieb er mit den vier Kleinen lieber zu Hause, wenn Gloria Besuche unternahm.
Heute kann sich Hans I. gar nicht mehr genau erinnern, wie es war, als alles anders wurde. Es war eher ein schleichender Prozess über Wochen und Monate. Zunächst ließen die Aufmerksamkeiten und Zärtlichkeiten Glorias doch merklich nach. Sie war ja häufig auch gar nicht da. Dafür wohnte inzwischen eine weitere 6-köpfige Familie aus der Verwandtschaft im Hause. Hans I. fühlte sich zunehmend unwohler. Wenn er Gloria darauf ansprach, verstand sie plötzlich gar nichts mehr. Hans I., der nun auch etwas Spanisch konnte, verstand aber Gloria und ihre Familie auch nicht, weil diese nur noch Guaraní sprachen.
Als die Familie dann auch noch Hühner, Katzen und Hunde mitbrachte und diesen just in dem Garten, in welchem sich Hans I. einen Pool erträumt hatte, Lebensraum verschafften, wurde es Hans zu viel. Er zog aus.
Fortan zog er mit einigen deutschen Kumpels durch die Bars und ließ sich nur noch wenige Male bei Gloria blicken. Junge, nette Damen gab’s trotzdem für Hans I. immer wieder. Nach etwa 2 Jahren hatte er seine Ersparnisse aufgebraucht.
Heute sitzt er in einem Vorort Asuncións in einem schäbigen Altenheim, in welchem er sich mit drei weiteren Herren ein Zimmer teilt. Gut, dass er wenigstens seine kleine Rente hat. Ich bin sicher, manchmal träumt er von seinem Reihenhaus in Deutschland.
Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit.